In diesem Text betrachte ich, das Straßenbau die Kommunen kostet und wie die hohen Kosten für kommunale Straßen auf städtische Haushalte wirken.
Ich bin Kommunalpolitiker mit 5 Jahren tätigkeit, aber kein Experte für städtische Finanzierung.
Als Beispiel konkreter Kosten wurden in Bürstadt 2022-2023 die Boxheimerhofstraße und die Leuschnerstr "grundhaft Erneuert". Laut Haushaltsplan 2023 hat Bürstdat dafür 2022 und 2023 ingessamt 2,24 Millionen € investiert. An den beiden Straßen grenzen rund 40 Häuser an. Für die Pflege von kommunalen Wohnstraßen gibt es keine Zuschüsse von Land oder Kreis.
Die Erschließung der Straße fand in den 1960er Jahren statt, war damit ca. 60 Jahre her. Lt. Abschreibungstabelle für NRW werden Straßen über 25-60 Jahre abgeschrieben.
Je angrenzendem Haus entstanden für die Beiden Straßen also Kosten von ca. 56.000 €. Über 60 Jahre sind das pro Haus und Jahr 933 €.
Da die Stadt keine reservierten Mittel dafür hat, sind die Mittel über Kredite zu finanzieren. Dafür fallen zusätzliche Zinskosten an. Zur Zeit ist der Zinssatz etwa 2,6 % pro Jahr. Das wären pro Jahr für beide Straßen € 50.624, pro Haus 1265 €. Jedoch waren Zinssätze in der Vergangenheit im Mittel deutlich höher als in den letzten 10 Jahren, im Mittel eher bei 6%. Siehe z.B. Bundesbank.
Wenn die Stadt also in 60 Jahren wieder das gesamte Geld für die nächste Erneuerung der Straße von den Bürgern zurück erhalten soll, dann benötigt sie 933 € pro Haus und Jahr für die Tilgung, sowie zusätzlich die Zinskosten.
Bei 4% Zinsen entstehen auf diese Weise bis zur Tilgung Zinskosten von 68.320 € pro Haus. Diese müssen in irgendeiner Weise ebenfalls von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt werden.
Bei schnellerer Tilgung wären die Zinskosten natürlich niedriger, aber Bürstadt, Hessen und die BRD haben es noch nie geschafft, ohne Schulden auszukommen.
Damit ist die durchschnittliche Belastung des städtischen Haushalts pro Haus und Jahr über 60 Jahre bis zur nächsten grundhaften Sanierung 2072 € pro Jahr.
Jedoch werden die Zinsen + Tilgung in Zukunft mit konstanten Geldbeträgen für durch Inflation reduzierte Geldwerte erfolgen. Wenn eine mittlere Geldentwerung von 3% angesetzt wird (bei einem Zins von 4%), dann entspricht das Zahlungen von insgesamt 68.038€ mit heutigem Geldwert. Selbstverständlich wird man nie in einem Jahr sämtliche Straßen der Stadt sanieren, daher ist diese Berechnung sinnvoll. Das sind demnach 1133 € pro Haus in Jahr nach heutigem Geldwert.
Der Begrif "Grundhafte Sanierung" wird verwendet, wenn an einer Straße nicht nur die Asphaltdecke oder die Straßenbeleuchtung saniert wird, sondern auch die darunter liegenden Abwasserkanäle.
Es handelt sich also nicht nur um eine eingeschränkte Maßnahme wie eine Sanierung nur der Straßendecke.
Beim erstmaligen Bau einer neuen Straße gehören die Baukosten zu den Erschließungsbeiträgen. Diese werden auf die Käufer der Bauplätze nach m² Baufläche umgelegt und somit von den Grundstückkäufern getragen. Dies belastet den städtischen Haushalt nicht.
Meistens kann die Kommune beim Erschließen von Grundstücken Gewinne erwirtschaften.
Da ein erheblicher Anteil der kommunalen Straßen in Bürstadt vor weniger als 60 Jahren gebaut wurden und daher mit den Erschließungskosten bezahlt wurden, belasten diese den städtischen Haushalt noch nicht. Je mehr Straßen so verbraucht sein werden, dass eine Sanierung erforderlich sein wird, um so höher steigen die Kosten für den städtischen Haushalt.
In Bürstadt gibt es lt. https://stadtistik.de/stadt/buerstadt-06431005/ 4300 Wohngebäude. Wenn alle Straßen aller Wohngebäude 25-60 Jahre nach der Erschließung das erste mal saniert wären, dann entfielen für die 4300 Wohngebäude zu je 1133 € Kosten = 4,9 Millionen € des Haushalts für den Straßenbau.
Dabei sind die Straßen zu Gewerbeimmobilien nicht berücksichtigt.
Der städtische Haushalt beträgt ca. 55 Millionen € im Jahr. Die Wartung aller Straßen für Wohngebäude in Bürstadt müsste demnach 8,9% des städtischen Haushalts beanspruchen. Der Großteil (ca. 90%) des Städtischen Haushalts wird für Pflichtaufgaben benötigt. 8,9% des städtischen Haushalts für Straßenbau sind also größenordnungsmäßig 80% der freiwilligen Leistungen, die Bürstadt für solche Dinge wie Schwimmbad, Vereinsförderung usw. zur Verfügung hat. Es ist daher quasi unmöglich, durch Einsparungen im freiwilligen Bereich die Kosten des Straßenbaus zu decken. Der Straßenbau ist eine Pflichtaufgabe und benötigt eine solide Finanzierung.
Es kann vermutet werden, dass durch heute im Vergleich zu den 1960er Jahren intensivere Nutzung von Autos in Zahl und Gewicht und die Verwendung mehrerer paralleler Firmen für Paketlieferungen usw. die durchschnittliche Lebensdauer von Straßen sinken könnte, was die Kosten erhöhen würde.
In der Vergangenheit hat Bürstadt Straßenbeiträge erhoben.
Nach dieser Regelung mussten die Grundstückseigentümer über Jahrzehnte nichts bezahlen, bis die Kommune die Renovierung der Straße beauftragt hat. Dann entstanden die Kosten für ca. 60 Jahre Straßennutzung im Jahr der Renovierung.
So weit ich weiß erfolgte die Abrechnung pro Meter Straßenlänge, an die ein Grundstück angrenzt. Die Kosten waren oft in Größenordnungen von > 30000€. Das Geld wurde den Bürgerinnen und Bürgern auf Antrag für einige Jahre gegen die Zahlung von Zinsen gestundet.
Diese Regelung führte zu viel Streit zwischen Stadtverwaltung, Bürgerinnen und Bürgern, was dazu führte, dass unsere Straßen tendenziell verwahrlosten.
Durch eine Gesetzesänderung auf der Landesebene wurde es möglich, wiederkehrende Straßenbeiträge zu erheben. Diese Möglichkeit hat Bürstadt in der Stadtverordnetenversammlung am 7.3.2017 beschlossen. Bei diesen sammelt die Stadt jedes Jahr von allen Bürgerinnen und Bürgern einen Beitrag ein, der dann für die laufenden Straßenbaumaßnahmen eingesetzt wird. Bürgerinnen und Bürger, die kurz zuvor eine Maßnahme nach dem alten Verfahren finanziert hatten, wurden aus der Zahlung für einige Jahre ausgenommen.
Die wiederkehrenden Straßenbeiträge in den Jahren 2018-2021 betrugen 1,2 Millionen € im Jahr. Gäbe es keine Gewerbeimmobilien, dann wären das 285€ pro Jahr und Haus, da die Gewerbeimmobilien auch zahlen mussten, müssten es deutlich weniger sein. Damit waren die Straßenbeiträge deutlich unter den langfristig zu erwartenden Kosten für die Straßenpflege.
Die neue Lösung war für viele Bürgerinnen und Bürger billiger, für andere aber teurer. Vor allem, weil die Straßenbeiträge ähnlich wie Erschließungskosten nach m² erhoben wurden, nicht nach Metern Straßenlänge. Einige Bürgerinnen und Bürgerinnen und Bürger mit großen Grundstücken beschwerten sich heftigst über die stark erhöhten Kosten.
In Folge wurde die Regelung zu wiederkehrenden Straßenbeiträgen in der Stadtverordnetenversammlung am 18.12.2019 nochmals geändert. Bei der Ausführuung dieser Änderung unterlief der Stadtverwaltung ein Formfehler, der dazu führte, dass die nachträglich verschickten Änderungsbescheide für das Jahr 2018 ungültig waren. Etwa 100 Bürgerinnen und Bürger hatten Widerspruch eingelegt.
Außerdem war die Änderung der Regeln vom 18.12.2019 rechtlich umstritten. Zwei Rechtsberatungen rieten von der Änderung ab, die wichtigste Beratung vom Land Hessen war aber der Meinung, dass das in Ordnung ist. Die Stadtverwaltung warnte davor, dass eine Rechtsunsicherheit bestünde, die nach Jahren noch zur Rückzahlung aller Straßenbeiträge zwingen könnte, wenn ein Gericht gegen Bürstadt entscheiden sollte. Wobei dies nicht unmittelbar zu erwarten gewesen wäre.
Die Details kann man in der Beschlussvorlage XIX/KA/0009 nachlesen.
Die Politik hätte nun folgende Möglichkeiten gehabt:
Die Stadtveordnetenversammlung entschied sich mit den Stimmen der CDU und der Freien Wähler gegen die Stimmen von Grünen, SPD und FDP für die 3. Lösung, obwohl diese am Stärksten die Stadtkasse belastet. Die anderen Fraktionen stimmten dagegen.
Dies bedeutet nicht, dass die Stadt wieder auf die alte Lösung vor 2018 zurückkehrt, sondern dass alle Straßenbaumaßnahmen der Stadt nun aus dem allgemeinen städtischen Haushalt finanziert werden müssen. Straßenbaumaßnahmen sind zu erheblichen Teilen Pflichtaufgaben. Die Stadt hat nicht das Recht, verkehrsunsichere Straßen zu akzeptieren, um Kostem zu sparen.
Zunächst mal hat die Stadt 4,91 Millionen € für den Zeitraum bis 2021 an die Bürgerinnen und Bürger zurück gezahlt.
Dies ist zunächst keine Verschwendung von Staatsgeldern, denn die Bürgerinnen und Bürger erhalten ja nur zurück, was sie zuvor eingezahlt haben. Lediglich die Zinsen auf diese Gelder belasten die Stadtkasse.
Um dieses Geld aufzubringen, musste Bürstadt allerlei Reserven auflösen und Schulden machen.
Für die Jahre 2022, 2023 und 2024 wurden ebenfalls keine Straßenbeiträge erhoben. Das sind 1,226 Millionen € pro Jahr und schlägt damit nochmals mit 3 * 1,226 Millionen € = 3,68 Millionen € zu Buche.
Zusammen mit der Rückzahlung von 2021 von 4,91 Millionen € ergibt sich eine Belastung des städtischen Haushalts von 8,64 Millionen €. Davon hätte man auf die 1,16 Millionen € aus 2018 wahrscheinlich verzichten müssen, ggf. auch noch auf 4,905 Millionen € aus 2018-2021. Auf den Rest hat die Stadtverordnetenversammlung aber ohne zwingenden Grund verzichtet, um ihren Wählerinnen und Wählern ein Wahlgeschenk zu machen.
Eine Belastung von 3,7 Millionen € bei einem langfristigen Kredit-Zins von 4% entspricht einer Haushaltsbelastung von 147.120 € pro Jahr. Das sind die Größenordnungen, die Bürstadt zur Zeit durch ein verschlechtertes Angebot für Kinderbetreuung einzusparen versucht.
Weitere Informationen zur Bürstädter Kreditaufnahme hier: https://www.herdsoft.com/blog/kreditaufnahme-2024.html
Nach dem Ausfall der Straßenbeiträge hätte die Startverordnetenversammlung unmittelbar beschließen können, den ausfallenden Betrag aus anderen Quellen wie einer Erhöhung der Gewerbesteuer oder der Grundsteuer B zu erheben.
Und das wäre eine bedeutenede Erhöhung gewesen! Dies wurde bewusst unterlassen. Es wurde bewusst in Kauf genommen, dass der Städtische Haushalt massivst belastet wird.
Es könnte geschehen, dass unsere Stadt ihre Instandhaltungsaufwendungen für innerstädtische Straßen nicht mehr erbringen kann, somit ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllt, also quasi pleite geht. Dann wären wir gezwungen, Straßenbeiträge wieder einzuführen oder die Grundsteuer zu erhöhen, haben aber bis dahen viele Millionen an zusätzlichen Krediten dauerhaft zu bedienen.
Für die Zahlung von Straßenbeiträgen sowohl in der Regelung vor 2018, als auch für die wiederkehrenden Straßenbeiträge, sind die Grundstücksbesitzer in der Verpflichtung.
Wenn in den nächsten Jahren die Grundsteuer B massiv angehoben wird, so können Grundstückseigentümer diese Kosten unmittelbar an ihre Mieter durchreichen. Darauf hat der Stadtverordnete der Grünen Fraktion Erhard Renz in seiner Rede in der Stadtverordnetenversammlung vor der Abschaffung hingewiesen.
Das heißt, dass eine Zahlungsverpflichtung, die seit den 1950ern die Vermieter tragen mussten, nun den Mietern aufgelastet wird. Also eine Verlagerung von Wohlstand von den Armen zu den Reichen.
Die CDU hatte 2017 für die Einführung der wiederkehrenden Straßenbeiträge gestimmt. Nachdem die Freien Wähler mit der populistischen Forderung nach der Abschaffung der Straßenbeiträge einen durchschlagenden Wahlerfolg auf Kosten der CDU hatten, hat die CDU ebenfalls für die Abschaffung der Straßenbeträge gestimmt.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Stadtverordneten der CDU nicht wussten, wie sehr diese Entscheidung unseren Haushalt belastet. Vermutlich hat die CDU sich entschieden, auf den polulistischen Wahlerfolg der Freuen Wähler ebenfalls populistisch zu handeln, um Wählerstimmen zu sichern.
Vergleichbar reagiert auch die Bundes-CDU auf die populistische Bedrohung durch die AfD. Leute, wenn ihr gut regiert werden wollt, wählt keine Populisten! Sie bringen vernünftige Menschen zu unvernünftigen Entscheidungen!
Die Grundursache für die hohen Straßenbaukosten ist die flächenintensive Bauweise mit vielen Einfamilienhäusern in Vorstädten. Sie führt zu einer Lebensweise mit intensiver Nutzung von Autos und hohem Bedarf an Straßen.
Städte wie Bürstadt mit dieser flächenintensiven Bauweise neigen dazu, unter finanziellen Druck zu geraten, wenn unsere Infrastruktur altert.
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