Am 5. Nov 2024 hat die Bürstädter Klimachutz-Beauftragte eine erste CO2-Bilanz für die Stadt Bürstadt mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern veröffentlicht:
Damit ist es erstmalig möglich, eine Berechnung der nach dem Klimaschutz-Abkommen von Paris 2015 und der Betrachtung des Bundesverfassungsgerichts ethisch und rechtlich noch zulässigen CO2 Emissionen Bürstadts vorzunehmen.
Eine erste Version dieses Dokuments vom 8. Nov 2024 hat nicht berücksichtigt, dass für die Budgetberechnung nach SRU nur CO2, nicht aber CO2-Äquivalente von CH4 u.ä. verwendet werden dürfen. Dadurch wurde das verbleibende Budget kleiner.
Leider ist die Bilanz bislang nur als niedrig aufgelöste unscharfe PDF-Grafik veröffentlicht. Daher rechnen wir erst mal die Pixel-Werte aus der Grafik in Tonnen CO2 um:
co2_max <- 150 * 1000;
px_max <- 462;
# Jahr
year <- c(2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022)
# Pixel
px <- c(404, 414, 404, 395, 402, 399);
# Tonnen CO2
co2 <- px/px_max * co2_max;
d <- data.frame(t, co2)
knitr::kable(d);
t | co2 |
---|---|
2017 | 131168.8 |
2018 | 134415.6 |
2019 | 131168.8 |
2020 | 128246.8 |
2021 | 130519.5 |
2022 | 129545.5 |
bp <- barplot(co2/1000~year, data=d, xlab="Jahr",
col=rep('blue',6),
main="CO2-Emissionen gesamt (1000t CO2eq)");
abline(line(bp, d$co2/1000), col='black', lwd=3, lty=2)
Mittlere jährliche Reduktion der CO2-Emissionen in Prozent pro Jahr:
percent_per_year <- coef(lm(co2/mean(co2)~year, d)) [2]*100
percent_per_year
## year
## -0.4962779
Jahre, bis Bürstadt bei dieser Geschwindigkeit der Reduktion CO2-Neutral sein wird:
100 / -percent_per_year
## year
## 201.5
Die veröffentlichten CO2-Bilanzen sind Bisko-Bilanzen, wie sie bei Kommunen verbreitet eingesetzt werden. Sie enthalten lediglich CO2-Emissionen aus Energieträgern und keine Werte für Landwirtschaft, Zement, Dünger, Gase aus der Kläranlage usw.
Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes kann eine BISKO-Bilanz durch diese Einschränkung durchaus um 2-20 Prozent zu niedrig ausfallen. Die hohen Ungenauigkeit treten dabei bei ländlichen Kommunen auf. Da Bürstadt von trockengelegten Mooren und Landwirtschaft umgeben ist, dürften wir weit über den 2 Prozent liegen. Wir benutzen daher hier einen Wert von 10 Prozent, das ist unbefriedigend aber besser als keine Berücksichtigung.
bisko <- 1.10;
co2 <- co2 * bisko;
d <- data.frame(year, co2);
knitr::kable(d);
year | co2 |
---|---|
2017 | 144285.7 |
2018 | 147857.1 |
2019 | 144285.7 |
2020 | 141071.4 |
2021 | 143571.4 |
2022 | 142500.0 |
Für die Berechnung des Paris-kompatiblen Bürstädter CO2-Budgets benutzen wir die Methode, die der Sachverständigenrat der Bundesregierung SRU in seinem Sachstandsbericht 2020 auf Seite 54 verwendet hat. Dieser Bericht liegt auch dem Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrunde.
Eine ähnliche Berechnung hat der Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf 2019 als “Wie viel CO2 kann Deutschland noch ausstoßen?” dokumentiert.
Globales CO2-Budget ab 2018 mit einer 67 prozentigen Wahrscheinlichkeit, deutlich unter 2 °C (1,75 °C) zu bleiben: 800 Gt CO 2 (IPCC 2018b).
Berechnung des globalen CO2-Budgets ab 2016 durch Addition der CO2 -Emissionswerte 2016, die 41 Gt CO 2 betrugen (FRIEDLINGSTEIN et al. 2019): 800 Gt CO 2 + (2 × 41 Gt CO 2 ) = 882 Gt CO 2 .
Berechnung des Paris-kompatiblen CO2 -Budgets für Bürstadt gemäß unserem Anteil an der Weltbevölkerung von 2016:
# Anzahl Bürger*innen Bürstadt 2016
our_citizens <- 16176
# Anzahl Weltbevölkerung 2016
world_citizens <- 7.51E9
# Verbleibendes Rest-Budget Tonnen
world_budget_2016 <- 882E9
# Verbleibendes Budget Bürstadt (2016) t
our_budget_2016 <- world_budget_2016 * our_citizens / world_citizens;
our_budget_2016;
## [1] 1899765
Für 2016 liegt keine CO2-Bilanz für Bürstadt vor. Wir gehen davon aus, dass die Bilanzzahl für 2016 so hoch war wie 2017 + das jährliche Gefälle von 0,5 Prozent:
Quelle Einwohnerzahl Bürstadt 2016: https://www.wegweiser-kommune.de/daten/demografische-entwicklung+buerstadt+2012-2022+tabelle Quelle Einwohnerzahl weltweit 2016: CO2 Budget Calculator des SRU
Für die Berechnung des verbleibenden Budgets nach SRU wird nur CO2 berücksichtigt , nicht andere Treibhausgase wie Methan (CH4), Lachgase (NOx) und Andere.
Die CO2-Bilanz von Bürstadt enthält dazu keine Angaben. Laut Umweltbundesamt sind in Deutschland etwa 89% der Emissionen CO2, also wenden wir diesen Durchschnittssatz auch auf die Bürstädter Daten an.
co2_only <- 0.89;
co2 <- co2 * co2_only;
In der ersten Berechnung gehen wir davon aus, dass sich der Trend der Jahre 2017-2022 auch nach 2022 unverändert fortsetzt.
our_budget_2017 <- our_budget_2016 - (co2[1] * 1.005);
our_budget_2017;
## [1] 1770708
nyears <- 16;
emissions <- array(dim=nyears);
remaining_budget <- array(dim=nyears);
remaining_budget[1] <- our_budget_2017;
i <- 1;
while (i < length(co2))
{
remaining_budget[i+1] <- remaining_budget[i] - co2[i];
emissions[i] <- co2[i];
i <- i + 1;
}
while (i < nyears)
{
emissions[i] <- co2[length(co2)] *
(1 + percent_per_year*0.01 * (i-length(co2)));
remaining_budget[i+1] <- remaining_budget[i] - emissions[i];
if (remaining_budget[i+1] < 0)
{
remaining_budget[i+1] <- 0;
emissions[i] <- remaining_budget[i];
}
i <- i + 1;
}
emissions[i] <- 0;
year <- 2017:(2017+nyears-1)
trend <- data.frame(year, remaining_budget, emissions);
knitr::kable(trend);
year | remaining_budget | emissions |
---|---|---|
2017 | 1770708.22 | 128414.29 |
2018 | 1642293.94 | 131592.86 |
2019 | 1510701.08 | 128414.29 |
2020 | 1382286.79 | 125553.57 |
2021 | 1256733.22 | 127778.57 |
2022 | 1128954.65 | 126825.00 |
2023 | 1002129.65 | 126195.60 |
2024 | 875934.06 | 125566.19 |
2025 | 750367.87 | 124936.79 |
2026 | 625431.08 | 124307.38 |
2027 | 501123.70 | 123677.98 |
2028 | 377445.72 | 123048.57 |
2029 | 254397.15 | 122419.17 |
2030 | 131977.98 | 121789.76 |
2031 | 10188.21 | 10188.21 |
2032 | 0.00 | 0.00 |
barplot(emissions/1000~year, data=trend, xlab="Jahr",
col=c(rep('blue',6),rep('orange',2),rep('red',nyears-8)),
main="CO2-Emissionen Trend (1000t CO2eq)");
Das 2025 verbleibende Budget für Bürstadt sind also noch 750368 t CO2. Das sind 50 Prozent des Budgets von 2019, als die Massenproteste der Fridays for Future stattfanden.
Demnach verbliebe Bürstadt in 6 Jahren kein Restbudget mehr für das Ziel, die Klimaerwärmung deutlich unter 2°C zu halten. Eine Verletzung dieses Ziels wäre lt. Aussage des Bundesverfassungsgerichts eine unzulässiger “Anreiz, das erforderliche Zusammenwirken zu unterlaufen”, die Verletzung eines völkerrechtlich bindenden Vertrags!
Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen und für andere Staaten keine Anreize zu setzen, das erforderliche Zusammenwirken zu unterlaufen.[…]
Indem der Gesetzgeber das Paris-Ziel in § 1 Satz 3 KSG zur Grundlage erklärt hat, hat er in Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative das Klimaschutzziel des Art. 20a GG zulässig dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.[…]
Danach darf nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.
Das entspricht dem, was der SRU in seiner Studie schrieb:
Bei unverändertem Emissionsniveau wäre das berechnete deutsche CO 2 -Budget im Jahr 2029 verbraucht.
Das Budget, um die Klimaerwärmung unter 1,5°C zu halten, hat Deutschland lt. Aussage des Sachverständigenrats für Umweltfragen im März 2024 überschritten, nur 9 Jahre nach dem Pariser Klimabkommen hat Deutschland also bereits die Ressourcen für 90 Jahre bis zum Jahre 2100 aufgebraucht.
Bei linearer Reduktion ist die verbleibende Zeit eine Seite eines Dreiecks mit dem Restbudget als Fläche und den aktuellen Emissionen als andere Seite:
trend$year[9];
## [1] 2025
trend$remaining_budget[9];
## [1] 750367.9
trend$emissions[9];
## [1] 124936.8
remaining_years <- 2 * trend$remaining_budget[9] / trend$emissions[9];
remaining_years;
## [1] 12.01196
end_year <- trend$year[9] + remaining_years;
end_year;
## [1] 2037.012
Demnach müsste Bürstadt jedes Jahr mehr 7,5 Prozent CO2- Emissionen einsparen (!), um im Jahr 2038 klimaneutral zu werden.
Dieser Wert entspricht dem Wert aus dem SRU-Gutachten für ganz Deutschland.
nyears <- 13+8;
emissions <- array(dim=nyears);
remaining_budget <- array(dim=nyears);
remaining_budget[1] <- our_budget_2017;
i <- 1;
while (i < length(co2))
{
remaining_budget[i+1] <- remaining_budget[i] - co2[i];
emissions[i] <- co2[i];
i <- i + 1;
}
reduction_per_year <- emissions[i-1]/remaining_years;
while (i < 9)
{
emissions[i] <- trend$emissions[i];
remaining_budget[i+1] <- remaining_budget[i] - emissions[i];
i <- i + 1;
}
while (i < nyears)
{
emissions[i] <- emissions[i-1] - reduction_per_year;
if (emissions[i] < 0)
{
emissions[i] <-0;
}
remaining_budget[i+1] <- remaining_budget[i] - emissions[i];
if (remaining_budget[i+1] < 0)
{
remaining_budget[i+1] <- 0;
emissions[i] <- remaining_budget[i];
}
i <- i + 1;
}
emissions[i] <- 0;
year <- 2017:(2017+nyears-1)
linear <- data.frame(year, remaining_budget, emissions);
knitr::kable(linear);
year | remaining_budget | emissions |
---|---|---|
2017 | 1770708.22 | 128414.286 |
2018 | 1642293.94 | 131592.857 |
2019 | 1510701.08 | 128414.286 |
2020 | 1382286.79 | 125553.571 |
2021 | 1256733.22 | 127778.571 |
2022 | 1128954.65 | 126825.000 |
2023 | 1002129.65 | 126195.596 |
2024 | 875934.06 | 125566.191 |
2025 | 750367.87 | 114928.579 |
2026 | 635439.29 | 104290.967 |
2027 | 531148.32 | 93653.356 |
2028 | 437494.96 | 83015.744 |
2029 | 354479.22 | 72378.132 |
2030 | 282101.09 | 61740.520 |
2031 | 220360.57 | 51102.909 |
2032 | 169257.66 | 40465.297 |
2033 | 128792.36 | 29827.685 |
2034 | 98964.68 | 19190.073 |
2035 | 79774.60 | 8552.461 |
2036 | 71222.14 | 0.000 |
2037 | 71222.14 | 0.000 |
barplot(emissions/1000~year, data=linear, xlab="Jahr",
col=c(rep('blue',6),rep('orange',2),rep('red',nyears-8)),
main="CO2-Emissionen lineare Reduktion (1000t CO2eq)");
Um die Entwicklung in Bürstadt mit den Bundesweiten Emissionen in derselben Zeit zu vergleichen, rechnen wir die Emissionen von Bürstadt und Deutschland jeweils pro Einwohner um.
Einwohnerzahl 2012 bis 2022: https://www.wegweiser-kommune.de/daten/demografische-entwicklung+buerstadt+2012-2022+tabelle
# 2012 2013 ... 2022
ncitizen <- c(15551, 15625, 15802, 16060, 16176, 16315, 16398, 16453, 16492, 16430, 16734);
plot(2012:2022, ncitizen,
type='b',
xlab='Jahr',
main='Bevölkerungsentwicklung Bürstadt');
grid();
Quelle Einwohnerzahl Deutschland: CO2 Budget Calculator des SRU
# 2012 2013 ... 2022
ncitizen_brd <-c(80.91, 80.92, 81.16, 81.59, 82.57, 82.95, 83.25, 83.48, 83.63, 82.62, 83.77) * 1E6;
n <- data.frame(year=2012:2022, ncitizen_buer=ncitizen, ncitizen_brd=ncitizen_brd);
brd <- read.csv('brd.csv');
brd$co2_brd <- brd$co2_kt * 1000;
vgl <- merge(brd, merge(d, n))
vgl$brd_per_citizen <- vgl$co2_brd / vgl$ncitizen_brd;
vgl$buer_per_citizen <- vgl$co2 / vgl$ncitizen_buer;
plot(vgl$year, vgl$brd_per_citizen,
type='b', lwd=2,
main='CO2-Emissionen Bürstadt und Deutschland',
ylab='Tonnen CO2 pro Jahr', xlab='Jahr',
col='blue');
abline(line(vgl$year, vgl$brd_per_citizen), col='blue', lty=3)
lines(vgl$year, vgl$buer_per_citizen,
type='b', lwd=2,
col='red');
abline(line(vgl$year, vgl$buer_per_citizen), col='red', lty=3);
legend(x= "topright",
legend=c("Deutschland", "Bürstadt", "Deutschland Trend", "Bürstadt Trend"),
col=c("blue", "red", "blue", "red"),
lty=c(1, 1, 2, 2),
lwd=c(2, 2, 1, 1));
# Reduktion pro Jahr Bürstadt in %
coef(line(vgl$year, vgl$buer_per_citizen))[2]/mean(vgl$buer_per_citizen)*100
## [1] -0.8675352
# Reduktion pro Jahr Deutschland in %
coef(line(vgl$year, vgl$brd_per_citizen))[2]/mean(vgl$brd_per_citizen)*100
## [1] -3.461079
Die letzten Jahre, in denen eine katastrophale Klimaveränderung mit unabsehbaren Folgen noch aufgehalten werden könnte, sind voraussichtlich ebenfalls nicht erfolgreich.
Es wäre nun notwendig, Maßnahmen von ungeheuerlicher Intensität zu ergreifen, um eine dystopische Entwicklung noch zu verhindern. Dafür ist die Weltgemeinschaft politisch noch weniger vorbereitet als 2019.
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