Einkommenseinbußen eines Softwareentwicklers durch Softwarepatente

Einleitung

Wer bin ich

Ich bin seit 1992 freier Softwareentwickler und meine Arbeit besteht zu erheblichen Teilen in der Entwicklung von Softwarekomponenten, die andere Softwarefirmen bei mir in Auftrag geben, weil sie ihnen zu schwierig oder zu spezialisiert sind. Die Auftraggeber sind sowohl kleine als auch große Firmen, auch bekannte Namen wie SAP, Siemens, MacAffee, AGFA sind darunter.

Ich versuche, wo es möglich ist, die Aufträge so abzuwickeln, dass dabei als Nebeneffekt auch Open Source Software unter GPL Lizensierung entsteht.

Einkommensausfälle durch Softwarepatente

Während meiner Berufstätigkeit ist es immer wieder zu Einkommensausfällen durch Softwarepatente bzw. Kostenerhöhungen für den Kunden auf folgende Weisen gekommen:
Obwohl Softwarepatente in Deutschland bislang nur eingeschränkt rechtsgültig sind, haben sie in der Summe bereits einigen Schaden verursacht. Dies liegt einerseits daran, dass Software ins Ausland exportiert wird, andererseits daran, dass die Patentinhaber ihre Patentforderungen maßlos auslegen und kleine und mittlere Unternehmen Rechtsstreitigkeiten vermeiden.

Der Versuch, diese Probleme auf der Ebene von Versicherungen zu lösen schlug fehl: Solche Risiken gelten bei Versicherern als nicht versicherbar, noch nicht einmal auf der Ebene der Haftpflichtversicherung.

Beispiel EADS Dornier Patent

Im Jahre 1999 hat ein innovatives kleineres Softwarehaus mich beauftragt ein Zugriffsmodul zu schreiben, um aus ihrer Anwendung heraus auf Landkarten von verschiedenen Herstellern und daher in verschiedenen Datenformaten zu schreiben. Der Hersteller hat dieses Zugriffsmodul benutzt, um für Landkarten aus verschiedenen Ländern eine einheitliche Bedieneroberfläche zu bieten und die Kartendaten der geplanten Strecke in eine spezielle Hardware zu übertragen, mit der die Betrachtung der Karte auf einem Motorrad während der Fahrt möglich ist. Als Teil der Bezahlung war vereinbart, dass der von mir entwickelte Anteil mit einigen Monaten Verzögerung unter GPL-Lizensierung veröffentlicht werden kann. Die Software wurde planmäßig entwickelt und vom Auftraggeber veröffentlicht.

Im Jahre 2000 wurde der Auftraggeber von EADS Dornier GmbH angeschrieben, dass die Software das Patent EP Nr. 0218109 von Dornier verletzt und die Lizensierung der patentierten Technologie verlangt.

Dabei ist zu sagen, dass eine top50 Landkartensoftware-CD aus zwei Komponenten besteht: Der eigentlichen Landkarte, einem ziemlich großen Datenbestand dessen Datenbank-Urheberrechte bei den Landesvermessungsämtern liegt, und der zur Anzeige dieser Daten verwendeten Software, deren Urheberrechte bei EADS Dornier liegen. Da wir keines der Programm-Module von EADS Dornier verwendet haben und die Landesvermessungsämter dieser Art der Nutzung ihrer Landkarten nicht widersprochen haben, ging es einzig und allein um eine Lizensierung der von EADS Dornier patentierten Anspruchs, es ging nicht um eine Frage des Urheberrechts.

Das Patent besagt in kurzen Worten, dass die Kombination aus Digitalisierung von Landkarten unter Verwendung der Druck-Filme (denen beim Druck jeweils eine Druckfarbe wie Schwarz, Blau, Grün und Braun zugeordnet ist) und der Anzeige auf einem Rasterdisplay (jeder PC-Bildschirm) patentiert ist, ganz gleich, welche Software dazu verwendet wird. Das Patent schützt also den naheliegensten Weg, der jedem sofort einfällt wenn er/sie über das Problem nachdenkt, und das auf breiter Basis.

Nach einigen Diskussionen auf der http://www.ffii.org/ Mailing-Liste hat sich der Auftraggeber entschlossen, eine Lizenzgebühr von 20000 DM an Dornier zu entrichten, obwohl der Rechtsanspruch fragwürdig war. Einerseits wäre der Streitwert so hoch gewesen, dass die Gerichtsgebühren für ein kleines Unternehmen kaum bezahlbar gewesen wären. Andererseits stand der Kunde unter Zeitdruck,  seine neue Softwaregeneration zu veröffentlichen.

Da ich wegen der GPL-Veröffentlichung meiner Arbeit ebenfalls keinen Rechtsstreit riskieren wollte, habe ich auf die Veröffentlichung der Sourcecodes verzichtet. Dadurch wurde die geplante Möglichkeit, Landkarten der deutschen Landesvermessungsämter ohne Microsoft Windows betrachten zu können, verhindert. Da die GPL-Veröffentlichung für mich auch einen Werbeträger für meine Dienstleistungen darstellt, wurde ich auch finanziell geschädigt.

Da das Patent zur Anwendung kommt, ganz gleich mit welcher Software die Daten verarbeitet werden, können die Landesvermessungsämter es nicht umgehen indem sie eine andere Software zur Anzeige der Kartendaten ausliefern. D.h. die Ämter sind von EADS Dornier abhängig.

Mittlerweile habe ich gehört, dass die Landesvermessungsämter einer zweiten Firma gestattet haben, CDs in einem anderen Datenformat zu veröffentlichen, nicht zuletzt weil sie wohl verärgert waren, dass Dornier das Geld für die Zusatznutzungen eingestrichen hat, anstelle der eigentlichen Rechteinhaber der Karte. Wenn das Patent rechtskräftig wäre, dann wäre das ohne Lizenzzahlungen deren Höhe EADS Dornier alleine bestimmen könnte, gar nicht möglich.

Die EADS Dornier Software liegt wohl mittlerweile in einer neuen Version vor und damit sind die alten Programme von 1999 nicht mehr anwendbar, selbst wenn ich den Source jetzt unter GPL-Lizenz veröffentlichen würde.

Beispiel Unisys LZW Patent

Packer-API

1994 habe ich einen Satz von Programmodulen (DLLs) zur Verarbeitung von gepackten Dateien, d.h. ZIP-Dateien, LHA-Dateien, ZOO, ARC u.ä. entwickelt. Es wurde z.B. von Virenscanner-Herstellern lizensiert um in gepackten Dateien nach Viren zu suchen.

1995 wurde in der Fachpresse bekannt, dass das verbreitete Kompressionsverfahren LZW von IBM und Unisys patentiert wurde und Unisys begonnen hat,  systematisch Ptentengebühren für PC-Anwendungen durchzusetzen. Da ARC und ZOO Archive das LZW Kompressionsverfahren einsetzten und die wenigsten Kunden bereit gewesen wären, Lizenzgebühren an Unisys zu entrichten, wäre es für die verbleibenden wenigen Kunden nicht mehr rentabel gewesen, die Sourcecodes weiter zu pflegen. Daher musste ich die Vermarktung dieser Programmodule eingestellen.

GIFs in der Windows-Hilfe

1996 hatte ich ein Produkt zur Anzeige von amimierten Grafiken mit Hintergrund-Transparenz in der Windows Bedienungshilfe. Die meisten animierten und/oder transparenten Grafiken liegen im GIF-Format vor, das von den Internet Browsern verwendet wird. Zur Verarbeitung musste ich die LZW-Komprimierten Daten in den GIF-Dateien dekomprimieren. Daher hatte ich geplant, die patentierte LZW Technologie von Unisys zu lizensieren. Erste Recherchen in öffentlich zugänglichen Quellen im Internet ergaben 1% vom Umsatz oder 10 Cent je Kopie an Kosten, also kein Problem. Die Software wurde implementiert und lief bestens.

Beim Versuch, die Patentlizenz von Unisys zu erwerben, gab es böse Überraschungen: Aufgrund des weiterverteilbaren Vetriebskonzepts hätte jeder meiner Kunden 1000 US $ Mindestgebühr bei Unisys zahlen müssen und vierteljährlich Mengen und Umsätze an Unisys berichten müssen. Auf den Einwand, dass der geplante Produktpreis nur 150 US $ betrug und Mitbewerber derartige Techniken preiswert anbieten, kam von Unisys nur die Reaktion, das täte nichts zur Sache.

Als ich dann um eine Lizenz für ein Programm bat, das die GIF-Dateien in ein anderes Format überführen sollte, so dass keine weiterverteilbare Lizenz erforderlich gewesen wäre, meinte Unisys das seie ja wohl nur der durchschaubare Versuch, ihr Patent zu unterlaufen und sie würden weiterhin 1000 US $ je Anwender verlangen.

Daraufhin musste ich das zu 80% fertiggestellte Modul wegwerfen.

Erst später habe ich beim Lesen der http://www.gnu.org/ Webseiten erfahren, dass die meisten Patentanwält davon ausgehen, dass das Unisys LZW Patent sich nur auf die Kompression, nicht auf die Dekompression bezieht. Unisys behauptet, auf dem Webserver zwar anderes, vermeidet aber Rechtsstreitigkeiten die zur Kläreung dieser Frage führen würden. Es gab also überhaupt keine Rechtsgrundlage für die horrenden Lizenzforderungen des Patentinhabers. Andere Anbieter, die die Unisys-Forderung ignorierten, konnten ihre Gewinne ungestört machen.

Es ist offenbar eine Frage des Mutes, zweifehlafte Forderungen zu ignorieren und eine Rechtsstreitigkeit zur Klärung zu provozieren, eine Strategie die für große Firmen sicher kein Problem darstellt, für kleine Firmen mit geringen Eigenkapital, die 80% der Arbeitsplätze im IT-Sektor in Deutschland ausmachen, aber zu gefährlich ist.

Bei unterschiedlichsten Aufträgen hat gerade das Unisys-Patent hat immer wieder zu erheblichem Beratungsaufwand gegenüber den Kunden geführt. Die unklare Rechtslage erfordert es, den Kunden alle Informationen zur Verfügung zu stellen, das kann schnell eine halbe Stunde Diskussion am Telefon bedeuten, dabei hat der Kunde dann noch immer keine Rechtssicherheit. Das Patent ist zwar nun in den USA abgelaufen, aber in Deutschland noch für ein paar Monate gültig, wahrscheinlich aber nicht durchsetzbar. Darüberhinaus ist der Anspruch auf Lizensierung der Dekompression ebenfalls voraussichtlich nicht durchsetzbar. In anderen Ländern kann das wieder anders aussehen. Erklären Sie das mal Ihrem Kunden, der für 75 € eine Grafikimport-Komponente kaufen will.

Beispiel Volltextindex-Patent

1993 habe ich eine effiziente Technologie zur Speicherung von Datenbank-Tabellen mit einem Volltextindex entwickelt. Das für den Volltextindex verwendete Verfahren war naheliegend und als Verfahren in einem Nachmittag konzipiert und in einigen Wochen implementiert. Weder das Verfahren (Trivial) noch den Sourcecode habe ich jemals im Sinne des Patentrechts "veröffentlicht".

IBM hat dieses Verfahren zum Patent angemeldet. 2002 habe ich rein zufällig die Beschreibung dieses Verfahrens unter http://www-1.ibm.com/servers/enable/site/bi/evi.html gelesen, zunächst nach dem Motto, ah, die machen das genauso wie ich damals, aber dann mit der Erkenntnis: Wenn das jetzt patentiert ist, dann kann ich ja meine eigene Entwicklung nur noch eingeschränkt vermarkten!

Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie bereits ausgeführte Arbeiten nachträglich durch Patente entwertet werden können. In einer Arbeitsumgebung voller Softwarepatente wären Entwickler gezwungen, jede noch so kleine neue Idee sofort zum Patent anzumelden und täglich die neuen Patentanmeldungen zu lesen um gegebenenfalls Widerspruch einzulegen, was einen enormen und sinnlosen Arbeitsaufwand bedeuten würde, bei dem nur die Patentanwälte reicher würden und die Effizienz und Innovationskraft der Softwareentwickler behindert würde.

Fazit

Bereits beim derzeit geltenden Patentrecht habe ich einige Einkommenseinbußen erlebt. Wenn die Software-Patentierung in Deutschland ausgeweitet würde, dann würde sie eine permanente Quelle von Rechtsunsicherheit, Unplanbarkeit und Rechtsstreitigkeiten werden, die ein bestimmendes Element der Arbeit für Programmierer werden würde. Die Möglichkeiten, sich als Programmierer selbständig zu machen oder Open Source Software zu veröffentlichen würden empfindlich eingeschränkt und viele kleine und mittlere Unternehmen würden mittelfristig schließen müssen.

Weder eine Entwicklung entsprechend Linux von Linus Torvalds, noch eine wie Windows von Microsoft könnte sich wiederholen, denn auch Microsoft hat mal als Kleinunternehmen angefangen, aber damals waren Softwarepatente eben noch kein Problem.