Einkommenseinbußen eines Softwareentwicklers durch
Softwarepatente
Einleitung
Wer bin ich
Ich bin seit 1992 freier Softwareentwickler und meine Arbeit besteht zu
erheblichen Teilen in der Entwicklung von Softwarekomponenten, die
andere Softwarefirmen bei mir in Auftrag geben, weil sie ihnen zu
schwierig oder zu spezialisiert sind. Die Auftraggeber sind sowohl
kleine als auch große Firmen, auch bekannte Namen wie SAP,
Siemens, MacAffee, AGFA sind darunter.
Ich versuche, wo es möglich ist, die Aufträge so abzuwickeln,
dass dabei als Nebeneffekt auch Open Source Software unter GPL
Lizensierung entsteht.
Einkommensausfälle durch Softwarepatente
Während meiner Berufstätigkeit ist es immer wieder zu
Einkommensausfällen durch Softwarepatente bzw.
Kostenerhöhungen für den Kunden auf folgende Weisen gekommen:
- Bereits entwickelte Produkte mussten aufgegeben werden, nachdem
sich herausgestellt hat, dass die verwendeten Technologien patentiert
waren.
- Produkte konnten aufgrund von Softwareparenten nur
eingeschränkt vermarktet werden.
- Die Planung von Produkten musste eingestellt werden, nachdem
während der Planungsphase klar wurde, dass die Vermarktung durch
Softwarepatente behindert werden würde.
- Um den Einsatz von patentierten Technologien zu vermeiden,
mussten oftmals umständliche Behelfslösungen implementiert
werden, was den Herstellungsaufwand erhöhte.
- Sobald eine Komponente patentierte Technologien verwendet, ist
ein hoher Beratungsaufwand notwendig, um die Kunden über die
Randbedingungen der Patentlizensierung zu informieren. Dieser Aufwand
ist umso höher als die Rechtslage oftmals unklar ist und ich kein
fachlich fundierter Rechtsanwalt bin.
- Bei großen Auflagen, die in den Läden verkauft werden,
wäre der Schaden bei einer Patentverletzung besonders groß,
weil im schlimmsten Falle die gesamte Auflage vernichtet werden
müsste. In solchen Fällen führte schon eine geringe
Rechtsunsicherheit zur Anpassung der Software, um den Einsatz einer auch
nur möglicherweise patentierten Technik zu vermeiden, aber mit
realen Kosten für die vorbeugende Anpassung.
- Die für vernünftige Entscheidungen unvermeidliche
Informationsbeschaffung nimmt erheblich Zeit in Anspruch.
- Mindestens in einem Falle wurde ein Patent 1998 auf eine Technik
erteilt, die ich bereits seit 1993 eingesetzt habe. Da mein Sourcecode
und das Verfahren nicht im Sinne des Patentrechts "veröffentlicht"
wurden, kann ich nun die von mir entwickelte Technik nur
eingeschränkt wirtschaftlich auswerten.
Obwohl Softwarepatente in Deutschland bislang nur eingeschränkt
rechtsgültig sind, haben sie in der Summe bereits einigen Schaden
verursacht. Dies liegt einerseits daran, dass Software ins Ausland
exportiert wird, andererseits daran, dass die Patentinhaber ihre
Patentforderungen maßlos auslegen und kleine und mittlere
Unternehmen Rechtsstreitigkeiten vermeiden.
Der Versuch, diese Probleme auf der Ebene von Versicherungen zu
lösen schlug fehl: Solche Risiken gelten bei Versicherern als nicht
versicherbar, noch nicht einmal auf der Ebene der
Haftpflichtversicherung.
Beispiel EADS Dornier Patent
Im Jahre 1999 hat ein innovatives kleineres Softwarehaus mich
beauftragt ein Zugriffsmodul zu schreiben, um aus ihrer Anwendung heraus
auf Landkarten von verschiedenen Herstellern und daher in verschiedenen
Datenformaten zu schreiben. Der Hersteller hat dieses Zugriffsmodul
benutzt, um für Landkarten aus verschiedenen Ländern eine
einheitliche Bedieneroberfläche zu bieten und die Kartendaten der
geplanten Strecke in eine spezielle Hardware zu übertragen, mit der
die Betrachtung der Karte auf einem Motorrad während der Fahrt
möglich ist. Als Teil der Bezahlung war vereinbart, dass der von
mir entwickelte Anteil mit einigen Monaten Verzögerung unter
GPL-Lizensierung veröffentlicht werden kann. Die Software wurde
planmäßig entwickelt und vom Auftraggeber veröffentlicht.
Im Jahre 2000 wurde der Auftraggeber von EADS Dornier GmbH
angeschrieben, dass die Software das Patent EP Nr. 0218109 von Dornier
verletzt und die Lizensierung der patentierten Technologie verlangt.
Dabei ist zu sagen, dass eine top50 Landkartensoftware-CD aus zwei
Komponenten besteht: Der eigentlichen Landkarte, einem ziemlich
großen Datenbestand dessen Datenbank-Urheberrechte bei den
Landesvermessungsämtern liegt, und der zur Anzeige dieser Daten
verwendeten Software, deren Urheberrechte bei EADS Dornier liegen. Da
wir keines der Programm-Module von EADS Dornier verwendet haben und die
Landesvermessungsämter dieser Art der Nutzung ihrer Landkarten
nicht widersprochen haben, ging es einzig und allein um eine
Lizensierung der von EADS Dornier patentierten Anspruchs, es ging nicht
um eine Frage des Urheberrechts.
Das Patent besagt in kurzen Worten, dass die Kombination aus
Digitalisierung von Landkarten unter Verwendung der Druck-Filme (denen
beim Druck jeweils eine Druckfarbe wie Schwarz, Blau, Grün und
Braun zugeordnet ist) und der Anzeige auf einem Rasterdisplay (jeder
PC-Bildschirm) patentiert ist, ganz gleich, welche Software dazu
verwendet wird. Das Patent schützt also den naheliegensten Weg, der
jedem sofort einfällt wenn er/sie über das Problem nachdenkt,
und das auf breiter Basis.
Nach einigen Diskussionen auf der http://www.ffii.org/
Mailing-Liste hat sich der Auftraggeber entschlossen, eine
Lizenzgebühr von 20000 DM an Dornier zu entrichten, obwohl der
Rechtsanspruch fragwürdig war. Einerseits wäre der Streitwert
so hoch gewesen, dass die Gerichtsgebühren für ein kleines
Unternehmen kaum bezahlbar gewesen wären. Andererseits stand der
Kunde unter Zeitdruck, seine neue Softwaregeneration zu
veröffentlichen.
Da ich wegen der GPL-Veröffentlichung meiner Arbeit ebenfalls
keinen Rechtsstreit riskieren wollte, habe ich auf die
Veröffentlichung der Sourcecodes verzichtet. Dadurch wurde die
geplante Möglichkeit, Landkarten der deutschen
Landesvermessungsämter ohne Microsoft Windows betrachten zu
können, verhindert. Da die GPL-Veröffentlichung für mich
auch einen Werbeträger für meine Dienstleistungen darstellt,
wurde ich auch finanziell geschädigt.
Da das Patent zur Anwendung kommt, ganz gleich mit welcher Software die
Daten verarbeitet werden, können die Landesvermessungsämter es
nicht umgehen indem sie eine andere Software zur Anzeige der
Kartendaten ausliefern. D.h. die Ämter sind von EADS Dornier
abhängig.
Mittlerweile habe ich gehört, dass die Landesvermessungsämter
einer zweiten Firma gestattet haben, CDs in einem anderen Datenformat
zu veröffentlichen, nicht zuletzt weil sie wohl verärgert
waren, dass Dornier das Geld für die Zusatznutzungen eingestrichen
hat, anstelle der eigentlichen Rechteinhaber der Karte. Wenn das Patent
rechtskräftig wäre, dann wäre das ohne Lizenzzahlungen
deren Höhe EADS Dornier alleine bestimmen könnte, gar nicht
möglich.
Die EADS Dornier Software liegt wohl mittlerweile in einer neuen
Version vor und damit sind die alten Programme von 1999 nicht mehr
anwendbar, selbst wenn ich den Source jetzt unter GPL-Lizenz
veröffentlichen würde.
Beispiel Unisys LZW Patent
Packer-API
1994 habe ich einen Satz von Programmodulen (DLLs) zur Verarbeitung von
gepackten Dateien, d.h. ZIP-Dateien, LHA-Dateien, ZOO, ARC u.ä.
entwickelt. Es wurde z.B. von Virenscanner-Herstellern lizensiert um in
gepackten Dateien nach Viren zu suchen.
1995 wurde in der Fachpresse bekannt, dass das verbreitete
Kompressionsverfahren LZW von IBM und Unisys patentiert wurde und Unisys
begonnen hat, systematisch Ptentengebühren für
PC-Anwendungen durchzusetzen. Da ARC und ZOO Archive das LZW
Kompressionsverfahren einsetzten und die wenigsten Kunden bereit gewesen
wären, Lizenzgebühren an Unisys zu entrichten, wäre es
für die verbleibenden wenigen Kunden nicht mehr rentabel gewesen,
die Sourcecodes weiter zu pflegen. Daher musste ich die Vermarktung
dieser Programmodule eingestellen.
GIFs in der Windows-Hilfe
1996 hatte ich ein Produkt zur Anzeige von amimierten Grafiken mit
Hintergrund-Transparenz in der Windows Bedienungshilfe. Die meisten
animierten und/oder transparenten Grafiken liegen im GIF-Format vor, das
von den Internet Browsern verwendet wird. Zur Verarbeitung musste ich
die LZW-Komprimierten Daten in den GIF-Dateien dekomprimieren. Daher
hatte ich geplant, die patentierte LZW Technologie von Unisys zu
lizensieren. Erste Recherchen in öffentlich zugänglichen
Quellen im Internet ergaben 1% vom Umsatz oder 10 Cent je Kopie an
Kosten, also kein Problem. Die Software wurde implementiert und lief
bestens.
Beim Versuch, die Patentlizenz von Unisys zu erwerben, gab es böse
Überraschungen: Aufgrund des weiterverteilbaren Vetriebskonzepts
hätte jeder meiner Kunden 1000 US $ Mindestgebühr bei Unisys
zahlen müssen und vierteljährlich Mengen und Umsätze an
Unisys berichten müssen. Auf den Einwand, dass der geplante
Produktpreis nur 150 US $ betrug und Mitbewerber derartige Techniken
preiswert anbieten, kam von Unisys nur die Reaktion, das täte
nichts zur Sache.
Als ich dann um eine Lizenz für ein Programm bat, das die
GIF-Dateien in ein anderes Format überführen sollte, so dass
keine weiterverteilbare Lizenz erforderlich gewesen wäre, meinte
Unisys das seie ja wohl nur der durchschaubare Versuch, ihr Patent zu
unterlaufen und sie würden weiterhin 1000 US $ je Anwender
verlangen.
Daraufhin musste ich das zu 80% fertiggestellte Modul wegwerfen.
Erst später habe ich beim Lesen der http://www.gnu.org/
Webseiten erfahren, dass die meisten Patentanwält davon ausgehen,
dass das Unisys LZW Patent sich nur auf die Kompression, nicht auf die
Dekompression bezieht. Unisys behauptet, auf dem Webserver zwar
anderes, vermeidet aber Rechtsstreitigkeiten die zur Kläreung
dieser Frage führen würden. Es gab also überhaupt keine
Rechtsgrundlage für die horrenden Lizenzforderungen des
Patentinhabers. Andere Anbieter, die die Unisys-Forderung ignorierten,
konnten ihre Gewinne ungestört machen.
Es ist offenbar eine Frage des Mutes, zweifehlafte Forderungen zu
ignorieren und eine Rechtsstreitigkeit zur Klärung zu provozieren,
eine Strategie die für große Firmen sicher kein Problem
darstellt, für kleine Firmen mit geringen Eigenkapital, die 80% der
Arbeitsplätze im IT-Sektor in Deutschland ausmachen, aber zu
gefährlich ist.
Bei unterschiedlichsten Aufträgen hat gerade das Unisys-Patent hat
immer wieder zu erheblichem Beratungsaufwand gegenüber den Kunden
geführt. Die unklare Rechtslage erfordert es, den Kunden alle
Informationen zur Verfügung zu stellen, das kann schnell eine
halbe Stunde Diskussion am Telefon bedeuten, dabei hat der Kunde dann
noch immer keine Rechtssicherheit. Das Patent ist zwar nun in den USA
abgelaufen, aber in Deutschland noch für ein paar Monate
gültig, wahrscheinlich aber nicht durchsetzbar. Darüberhinaus
ist der Anspruch auf Lizensierung der Dekompression ebenfalls
voraussichtlich nicht durchsetzbar. In anderen Ländern kann das
wieder anders aussehen. Erklären Sie das mal Ihrem Kunden, der
für 75 € eine Grafikimport-Komponente kaufen will.
Beispiel Volltextindex-Patent
1993 habe ich eine effiziente Technologie zur Speicherung von
Datenbank-Tabellen mit einem Volltextindex entwickelt. Das für den
Volltextindex verwendete Verfahren war naheliegend und als Verfahren in
einem Nachmittag konzipiert und in einigen Wochen implementiert. Weder
das Verfahren (Trivial) noch den Sourcecode habe ich jemals im Sinne des
Patentrechts "veröffentlicht".
IBM hat dieses Verfahren zum Patent angemeldet. 2002 habe ich rein
zufällig die Beschreibung dieses Verfahrens unter http://www-1.ibm.com/servers/enable/site/bi/evi.html
gelesen, zunächst nach dem Motto, ah, die machen das genauso wie
ich damals, aber dann mit der Erkenntnis: Wenn das jetzt patentiert
ist, dann kann ich ja meine eigene Entwicklung nur noch
eingeschränkt vermarkten!
Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie bereits ausgeführte Arbeiten
nachträglich durch Patente entwertet werden können. In einer
Arbeitsumgebung voller Softwarepatente wären Entwickler gezwungen,
jede noch so kleine neue Idee sofort zum Patent anzumelden und
täglich die neuen Patentanmeldungen zu lesen um gegebenenfalls
Widerspruch einzulegen, was einen enormen und sinnlosen Arbeitsaufwand
bedeuten würde, bei dem nur die Patentanwälte reicher
würden und die Effizienz und Innovationskraft der
Softwareentwickler behindert würde.
Fazit
Bereits beim derzeit geltenden Patentrecht habe ich einige
Einkommenseinbußen erlebt. Wenn die Software-Patentierung in
Deutschland ausgeweitet würde, dann würde sie eine permanente
Quelle von Rechtsunsicherheit, Unplanbarkeit und Rechtsstreitigkeiten
werden, die ein bestimmendes Element der Arbeit für Programmierer
werden würde. Die Möglichkeiten, sich als Programmierer
selbständig zu machen oder Open Source Software zu
veröffentlichen würden empfindlich eingeschränkt und
viele kleine und mittlere Unternehmen würden mittelfristig
schließen müssen.
Weder eine Entwicklung entsprechend Linux von Linus Torvalds, noch eine
wie Windows von Microsoft könnte sich wiederholen, denn auch
Microsoft hat mal als Kleinunternehmen angefangen, aber damals waren
Softwarepatente eben noch kein Problem.